Ensemble Theatrum präsentiert Goethes "Faust"

„Kennst du den Faust“, fragt Gott Mephisto im „Prolog im Himmel des gleichnamigen Stücks, welcher der eigentlichen Gelehrtentragödie J.W. von Goethes vorangestellt ist.

Auch die Oberstufenschüler werden in den kommenden Abiturprüfungen diese Frage und andere zum Stück beantworten müssen, das Pflichtlektüre an allen hessischen Oberstufenkursen in Deutsch ist. Da alle Abiturienten und Abiturientinnen in Deutsch eine Prüfung ablegen müssen, sollte ihnen der „Faust“ wohl vertraut sein, trotz seiner Länge, seiner für junge Schülerohren ungewohnten Sprache und seiner komplexen Botschaft, bei der die Schüler zu Recht fragen: Und was hat das mit mir zu tun? - worauf sie hoffentlich im Unterricht eine befriedigende Antwort gefunden haben. So sollten sie jetzt wissen, wieso Faust, der, um erleben und lernen zu können, sämtliche Grenzen überschreitet und über Leichen geht, für den Menschen an sich steht und damit auch für jeden von uns. Faust nimmt,um erleben und lernen zu können, den Tod Gretchens, seines Forschungs- und Erlebnisobjektes in Kauf. Und wir? Wo sprengen wir unsere Grenzen, weil auch wir forschen und erleben wollen, wie Faust? Warum können wir Menschen es zum Beispiel nicht lassen, Atomkraft auszuprobieren, egal, was es kostet, oder, wie jetzt gerade in Cern geschieht, Antimaterie zu erschaffen, ohne zu ahnen, was für Folgen das haben könnte? Warum sind wir so heiß darauf, wie Faust, die Grenzen des eigentlich menschlichen Vermögens durch immer das neueste Handy weiter stecken zu müssen? Harmlos ist dieses urmenschliche faustische Streben vielleicht nur, wenn die Menschen sich in Lektüren oder Filme wie „Harry Potter“ oder „Star Wars“ vertiefen, in denen sie für kurze Zeit einmal die Grenzen ihres engen menschlichen Daseins sprengen können- wie Faust eben.

Damit das Stück kurz vor dem Abitur noch einmal in Gänze lebendig werden konnte, gab es ein kleines literarisches Fest an der Jakob-Grimm-Schule in Rotenburg, als ein echtes Theaterensemble, das Ensemble Theatrum Hohenerxleben, in der Aula der JGS die Figuren des Goethe-Stücks lebendig werden ließ, nachdem es sich eine Woche zuvor den Rotenburgern bereits mit einer musikalisch-dramaturgischen Darbietung des alttestamentlichen Hohelieds vorgestellt hatte.

Das zehn Künsterlinnen und Künstler umfassende Ensemble unter Leitung von Friederike und Hubertus von Krosigk verbindet mit seinen Bühnenproduktionen Theater, Kunst und Musik und versteht sich damit als Vermittler von europäischer Hochkultur, wobei Klassik, Weltmusik und Popularmusik einander ergänzen. Für die Faust-Inszenierung wurde eigens eine Bühnenfassung konzipiert, die eine notwendige Straffung der Vorlage von ca. sechs auf zweieinhalb Stunden vorsah. So aber konnte auch unser Abiturjahrgang das Spiel der himmlischen, höllischen und irdischen Protagonisten bis zu Gretchens Ende aufmerksam mitverfolgen. Da fünf Schauspieler/innen rund ein Dutzend verschiedener Rollen zu übernehmen hatten, mussten – mit Ausnahme von Hubertus von Krosigk (Faust) - alle anderen verschiedene Charaktere mimen. Der Herrgott, den Mephistopheles (Friederike von Krosigk) eher als guten Diener denn als Widersacher begrüßt, wurde, ganz modern, von mehreren Schauspielerinnen verkörpert.

Bevor jedoch das Ringen um die Seele von Faust auf der Bühne begann, begrüßte die Fachbereichsleiterin Christine Haase Ensemble und Publikum, fast die gesamte Oberstufe der JGS. Großer Dank wurde dem Förderverein der Schule und dem JGS-Ehemaligen-Verein für die großzügige Förderung ausgesprochen, durch die diese Aufführung überhaupt erst ermöglicht wurde. Insbesondere dankte Frau Haase auch dem Abiturienten David Gerlach, der das Ensemble an die Schule vermittelte.

Nach der Aufführung saßen die Regisseure und Schauspieler am Bühnenrand und stellten sich den Fragen der Schüler, um mit ihnen über die Interpretation des Stücks zu sprechen: „Wieso haben Sie Gott durch mehrere Personen spielen lassen?“ „Nach welchen Kriterien haben Sie Szenen herausgekürzt?“ „Wie kommt es überhaupt, dass Sie ein so altes Stück aufführen wollten?“ „Wieso wollten Sie Gretchen spielen?“ Aber auch allgemeine Fragen zum Schauspielerberuf und –ethos wurden gestellt.

Vier Unterrichtsstunden verbrachten die Schüler so mit Abiturvorbereitungen der ganz anderen Art- erfolgreich und unterhaltsam, wie es schien!

Bericht: Christine Haase / Rainer Lehn

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