Exkursion des Erdkundekurses Q3 ins Borkener Braunkohlerevier

Schülerinnen und Schüler der Q3 vor dem alten Kraftwerk in Borken

Soll der Hambacher Forst zugunsten der Förderung von Braunkohle gerodet werden? Diese Fragestellung, die exemplarisch für den Konflikt zwischen wirtschaftlicher Inwertsetzung eines Landschaftsausschnitts und dessen Schutz steht, wird zurzeit nicht nur von Bergbauunternehmen und Stromkonzernen sowie Umwelt- und Naturschützern, sondern auch von Politikern, Gerichten und der an Energieerzeugung sowie Umwelt- und Naturschutz interessierten Bevölkerung kontrovers diskutiert.

Um sich ein sachgemäßes Urteil darüber bilden zu können, sollte man wissen, wie Braunkohlelagerstätten entstanden sind, wie der Abbau von Braunkohle funktioniert, wie aus der Verbrennung von Braunkohle Strom gewonnen wird, welche Arbeitsplätze geschaffen werden, welche Umweltprobleme entstehen und wie die Landschaft rekultiviert wird.

So begab sich der Erdkundekurs Q3 der Jakob-Grimm-Schule Rotenburg an der Fulda im Rahmen des Halbjahresthemas „Nachhaltige Nutzung von Rohstoffen“ auf den Weg in ein Braunkohlerevier, um sich vor Ort ein Bild vom Tagebau und der Bergbaufolgelandschaft zu machen. Die Ganztagsexkursion führte die 22 Schülerinnen und Schüler allerdings nicht bis ins Rheinland westlich von Köln, sondern in die nahe gelegene Niederhessische Senke in den Raum Borken, der im 20. Jahrhundert maßgeblich vom Braunkohlebergbau geprägt wurde.

In einem Einführungsvortrag des Historikers und Leiters des Hessischen Braunkohle-Bergbau-Museums Ingo Sielaff über die „Borkener Bergbau- und Kraftwerksära“ erfuhren die die JGS-Schülerinnen und –Schüler u.a. viel über die wirtschaftliche Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und die Stromerzeugung für Industrie und Privathaushalte in Nordhessen, jeweils eingebettet in den historischen Kontext. Anschließend besuchten sie den „Themenpark Kohle und Energie“. Dort setzten sie nicht nur einen Schaufelradbagger und weitere im Tagebau eingesetzte Maschinen in Gang, sondern wurden auch mit einem Modell des in den 1980er Jahren im Raum Borken für die Zeit nach Auskohlung der Braunkohlelagerstätten geplanten Atomkraftwerks konfrontiert, dessen Bau aus verschiedenen Gründen jedoch nicht realisiert wurde.

Weitere Informationen rund um die Braunkohle sammelten die Schülerinnen und Schüler im „Hessischen Braunkohle Bergbaumuseum“, das in den Gebäuden des alten Amtsgerichts in der Borkener Innenstadt eingerichtet wurde. Dort befuhren sie u.a. einen Besucherstollen, wo sie einen Eindruck von der harten und gefährlichen Arbeit der Kumpel unter Tage gewannen. Zudem besichtigten sie die Ausstellung über das Grubenunglück Stolzenbach, bei dem 1988 51 Bergleute ums Leben kamen und infolge dessen der Tiefbau im Raum Borken früher als geplant eingestellt wurde. Später besuchten sie die Gedenkstätte Stolzenbach.

Darüber hinaus führte die Exkursion zu mehreren Stationen im Raum Borken, die Zeugnis über die Bergbau- und Kraftwerksära ablegen. Erster Haltepunkt war das Gelände des ehemaligen Großkraftwerks Main-Weser, das 1991 stillgelegt wurde und dessen riesige Kraftwerkshallen, Schornsteine und Kühltürme weitgehend abgerissen wurden. Im Angesicht eines zurück gebauten Schornsteins eines denkmalgeschützten Kraftwerksgebäudes aus der Anfangszeit der 1920er Jahre ging es u.a. um die seinerzeit noch nicht beachteten, aber heute als Mitverursacher des anthropogenen Treibhauseffekts identifizierten CO2-Emissionen. Mittlerweile werden die wenigen noch erhaltenen Kraftwerksgebäude u.a. als Disco und für Plastikrecycling genutzt.

Der Gang auf die „Dosenbergkippe“ vermittelte einen Eindruck über die Anlage einer Halde, auf der der beim Braunkohletagebau entstehende Abraum verkippt wurde, und deren spätere land- und forstwirtschaftliche Rekultivierung. Einen weiteren Schwerpunkt der Exkursion in die Bergbaufolgelandschaft bildete die Besichtigung einiger Tagebaurestlöcher, die inzwischen als „Borkener Seenland“ vielfältigen Nutzungen für Naturschutz und Wassersport zugeführt wurden. Nicht zuletzt sinnierten die JGS-Schülerinnen und –schüler mit Landschaftsarchitekt Michael Kann darüber, wie der noch nicht voll gelaufene Gombether See später einmal genutzt werden könnte.

Insgesamt wurde auf der Exkursion deutlich, welch gravierenden Wandel der Raum Borken bei seiner Umwandlung von der Agrar- zur Bergbau- und Industrielandschaft im 20. Jahrhundert erfuhr, wie stark die Aktivitäten der Bergbau- und Kraftwerksära die Folgelandschaft prägen und welche wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Chancen und Probleme mit dem Braunkohlebergbau und der Energiegewinnung aus Braunkohle in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf lokaler und globaler Ebene verknüpft waren, sind und sein werden.

Dr. Uwe Brehm

Zurück